Marlene kommt Pok. Marlene Dietrich kommt im Frühjahr nach Berlin, wie die «nacht-depesche» bereits in der vergangenen Woche meldete. Der amerikanische Konzertagent Norman Granz, der gestern zum Gastspiel seines «Jazz at the Philharmonic» in Berlin eintraf, bestätigte unsere Ankündigung. Er hat Marlene Dietrich für eine ausgedehnte Europa-Tournee verpflichtet. Nacht-Depesche, Berlin, vom 13.02.1960
Marlene Dietrich (dpa). Es sei bisher nichts davon bekannt, dass die geplante Deutschlandtournee der Filmschauspielerin Marlene Dietrich wegen der Protestkampagne, die in einigen Massenblättern und Boulevardzeitungen ihren Niederschlag fand, abgesagt, werden soll. Dies erklärte der deutsche Interessenvertreter des amerikanischen Impresarios, der Marlene Dietrich nach Deutschland bringen wird, Fritz Rau, Neustadt-Weinstraße, am Montagabend auf Anfrage in Neustadt. Die Vorbereitungsarbeiten für die vorgesehenen Gastspiele in Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt und München seien im Gange. Mit dem Berliner Titania-Palast, in dem Marlene Dietrichs Eröffnungskonzert am 30. April stattfinden solle, sei bereits ein fester Vertrag abgeschlossen worden, sagte Rau. Man rechne mit einem mehrtägigen Gastspiel in Berlin. Rau bezeichnete es als „unklug und außerordentlich gefährlich“, wenn die seit langem geplante Dietrich-Tournee wegen einiger neonazistischer Wutausbrüche, die in Drohbriefen und Protestschreiben an den Hamburger Veranstalter geäußert wurden, abgesagt würde. Marlene Dietrich, die nicht mit Hitler habe paktieren wollen und deshalb nach Amerika ging, habe auch heute in Deutschland noch sehr viele Freunde, die sich auf ihre Gastspiele freuen würden. Telegraf, Berlin, vom 03.03.1960
Guter Rat für Marlene-Dietrich-Gastspiel: Haltet den Mund von Adolf Volbracht Jetzt reißt mir die Geduld! Wem hat Marlene Dietrich eigentlich etwas getan? Seit Tagen, seit Wochen, seit die BZ Marlenes Gastspiel in Westberlin ankündigte, landen (zum größten Teil anonyme) Briefe auf meinem Schreibtisch, die voll sind von Hass gegen diese Frau. Warum? Wollen wir doch einmal feststellen, was die – noch immer unvergleichliche – Marlene eigentlich getan oder gesagt hat. Damals fehlten die Angebote Und noch vor wenigen Monaten: „Hundert Leute haben mich gefragt, warum ich nicht nach Deutschland komme. Ganz einfach: weil ich noch kein interessantes Angebot habe!“ B.Z. am Mittag, Berlin, vom 22.03.1960
Es bleibt dabei: Marlene ist herzlich willkommen! Gsl. MARLENE DIETRICH wird, wie vorgesehen, am 30. April ihre Deutschland-Tournee beginnen, erklärte ihr Manager, der Hamburger Konzertunternehmer Kurt Collien. Jenen Wirbel um die Künstlerin, der von einigen Leserbriefen an deutsche Zeitungen und Zeitschriften entfacht worden sei, hält er für „aufgebauscht und übertrieben“. „Es gibt viele Missverständnisse um Marlene Dietrich in Deutschland“, sagte er. MISSVERSTÄNDNISSE ist nun wirklich ein sanftes Wort für das, was da in allerlei Zuschriften nach oben spülte. Marlene habe in Deutschland nichts mehr zu suchen, hieß es darin. Sie „hasse die Deutschen“. Sie wolle „nichts als harte D-Mark kassieren“. BEI ALLER HOCHACHTUNG für die deutsche Währung: die Dinge, um die es geht, liegen wohl doch jenseits der schönen blanken D-Mark-Welt. Nicht alle Protestbrief-Schreiber können böswillig sein. Manche sind sicher nur ahnungslos. Deswegen drei Sätze zur Sache: DIE DIETRICH ist eine der ganz wenigen deutschen Künstlerinnen, die früh und aus eigenen Stücken gegen die Nazi-Diktatur Front machten, obwohl Goebbels sie mit Kusshand zurückgeholt hätte. Sie wurde stattdessen in Amerika zur treuesten und selbstlosesten Helferin vieler, denen Hitler die Heimat nahm. Sie bewies Herz und Charakter – Charakter auch darin, dass sie den Schock eines fremdgewordenen Vaterlandes nicht von heute auf morgen überwinden konnte. NICHT JEDER in politischen Umstellungen Geübte mag das hierzulande verstehen. Wir anderen werden die Dietrich um so herzlicher empfangen! Berliner Morgenpost, Berlin, Seite 12, vom 26.03.1960 |